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Shakespeare – eine Theaterlektion
von Ekkehart Krippendorff

Eine in Berlin lebende englische Schauspielerin, die seit Jahren zu Shakeseare- Aufführungen nach London und insbesondere zum Globe Theatre pilgert, meinte nach der Premiere von „Alles ist wahr – K&oouml;nig Heinrich VIII.“ im Admiralspalast dies sei einer der besten deutschen Shakespeares, den sie hierzulande je gesehen habe.

Sie dürfte recht haben. Zumindest wird den vom Regie-Theater gebeutelten Inszenierungen hier ein Spiegel vorgehalten, daß es auch anders geht, daß man Shakespeare spannend spielen kann auf der einfachst m&oouml;glichen Bühne, ein Proszenium-Podest dreiseitig vom Publikum umgeben, ohne Kulissen und im hellen Saal, ein schwerer Holzstuhl markiert den K&oouml;nigsthron und das Bühnenzentrum, vier metallisch-graue Flächen als Hintergrund erlauben den fünf (männlichen) Schauspielern sich rasch durch minimalen Kostümtausch in ein gutes Dutzend Figuren zu verwandeln: Sie sind es, die aus einem Stück, das sich eher langweilig und mühsam liest und nicht einmal durchgehend authentischer Shakespeare ist, dramatische Funken schlagen. Der war da wohl nur noch Mitarbeiter an einigen Szenen eines definitiv letzten Stückes, das 1613 im „Globe“ uraufgeführt wurde und dabei einen dramatischen Theaterbrand verursachte. Kein „großer Shakespeare“ also – ja sogar so unbekannt, daß diese von der verdienstvollen Truppe „Shakespeare und Partner“ (Norbert Kentrup) vorgestellte Aufführung für Berlin als veritable Erstaufführung gelten darf, in Deutschland letztmalig 1927 gespielt. Um so gr&oouml;ßer diese Leistung, ein dramaturgisch schwaches, eher kopflastiges Stück so lebendig, mit brillantem Tempo, einer durchgearbeiteten Choreographie (Regie Markus Weckesser und Jakob Fedler) vorzuführen, unterstützt von sparsam aber genau charakterisierenden Kostümen (Ausstattung Hannah Hamburger) die staunens- und bewunderungswürdige Kunst der Verwandlung jedes einzelnen Schauspielers in die gegenteiligsten Rollen zu einem quicklebendigen Theatererlebnis machend. Eine glänzend bestandene theatralische Mutprobe.

Nach einer Weile darf man darum auch darauf verzichten, die komplizierten Machtspiele noch genau auseinanderhalten zu wollen und sich statt dessen ganz und gar dem lebendigen Strom dieser Rollenmetamorphosen hingeben – wo, ganz Shakespearisch, eben auch Frauenrollen von Männern gespielt werden; man gew&oouml;hnt sich nicht nur rasch daran, sondern erlebt es als eine Bereicherung. Und daß dieses Shakespeare-Theater ein eminent politisches Theater war, und zwar eben nicht nur gewissermaßen neben-, sondern vielmehr hauptberuflich, das wird hier so deutlich wie selten. Es bildet die Konflikte, Eifersüchteleien, Konkurrenzen und Psychologien der politischen Klasse seiner Zeit im Buhlen der Mächtigen um die zentrale Macht des K&oouml;nigs so ab, daß uns das ganze Theater bald recht bekannt vorkommt – das Putin-Regime dürfte so funktionieren, aber im freundlich-korrupten Kardinal Wolsey, der geheimen Hauptfigur der Geschichte, k&oouml;nnen wir auch ein Stück Zumwinkel erkennen; nur daß diesen Leuten damals keine Justiz beisprang und ihnen den Tower und Schlimmeres ersparte.

Daß sich die Kentrup-Leute bisweilen komm&oouml;diantische Freiheiten vom Text (eine kraftvoll-deutliche Neuübersetzung von Werner Buhss) erlauben – z.B. die vergnüglich inszenierte, für den K&oouml;nig bestürzende Mitteilung, daß die neue K&oouml;nigin Anne nur ein Mädchen zur Welt gebracht hat - trägt wie manches andere, bisweilen auch etwas undiszipliniert aus dem Ruder laufende Improvisieren zum Vergnügen an diesem Spiel aus Shakespeareschem Geist fürs Populäre bei. Am Schluß dann die (nicht ganz geglückte) große prophetische Apotheose der späteren K&oouml;nigin Elisabeth, auf die hin, wie sich da enthüllt, das ganze Stück wohl überhaupt konzipiert worden war. Ein Hauch vom elisabethanischen Goldenen Zeitalter, dem Zeitalter Shakespeares, war da zu spüren.

BERLINER MORGENPOST
So macht Shakespeare richtig Spaß
17. Januar 2009
von Matthias Heine

Seit 80 Jahren ist "K&oouml;nig Heinrich VIII. - Alles ist wahr" nicht mehr in Deutschland gespielt worden. Das hat gute Gründe. Denn es handelt sich bei dem letzten Stück, an dem Shakespeare 1613 noch mitarbeitete, um ein Propagandastück, mit dem der Dichter die Geburt seiner K&oouml;nigin Elisabeth verherrlichte und das undurchsichtige Macht- und Lusttreiben ihres Vaters Heinrich VIII. nachträglich legitimierte. Doch in der Aufführung, die "Shakespeare & Partner" jetzt im kleinen Saal des Admiralspalastes zeigt, wird auch erkennbar, dass es ebenso gute Gründe gab, das Stück endlich einmal wieder aufzuführen: Es finden sich darin ein paar echte poetische Perlen - vor allem, wenn Hoffiguren wie der Kardinal Wolsey oder Heinrichs geschiedene Frau Katharina das Scheitern ihrer Hoffnungen kurz vor dem Tode noch einmal resignierend vergolden. Und es gibt ein paar interessante Ränkespiele, die zumindest Klein-Zuschauer-Fritzchen das Gefühl geben, viel hätte sich im politischen Geschäft seit dem 16. Jahrhundert nicht geändert. Den K&oouml;nig spielt Norbert Kentrup, der 1981 die Bremer Shakespeare Company mitbegründete und damals die Neuentdeckung Shakespeares als Volkstheaterautor einleitete. Der K&oouml;nig ist hier das Kraftzentrum, um das alles kreist.

Doch die Handlung wird vor allem von den Hofschranzen mit ihren oft t&oouml;dlich endenden Machtspielen vorangetrieben. Das alles wird ganz elisabethanisch ausschließlich von fünf Männern gespielt, die sich am Bühnenrand umkleiden. Im Zweifelsfalle läuft es eher auf Komik hinaus als auf Tragik. Darin ähnelt es den Inszenierungen von Katharina Thalbach, die Shakespeare ja ebenfalls als Volkstheaterautor versteht. Aber ganz so kasperlehaft wie Thalbach lassen es die Regisseure Jakob Fedler und Markus Weckesser nicht krachen. Auch deshalb ist "Alles ist wahr" eine der besten Produktionen, die es in Berlin derzeit außerhalb der großen Staatsbühnen zu sehen gibt.